Weitblick, Werte und immer eine Portion Neugier

Einblicke in die Welt der Bauunternehmens OTTO WULFF

Seit über 90 Jahren prägt die OTTO WULFF Unternehmensgruppe die Bauwirtschaft – mit klaren Werten, Innovationsgeist und einem Fokus auf nachhaltige Lösungen. Im Interview mit der POSITION spricht Geschäftsführer Stefan Wulff über verantwortungsvolles Bauen, die Herausforderungen der Branche und darüber, warum Moorflächen eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz spielen könnten.

Herr Wulff, wie schafft man es, ein Unternehmen über drei Generationen hinweg erfolgreich zu führen und gleichzeitig den Wandel der Zeit aktiv mitzugestalten?

Uns gibt es seit 1932 – und der Schlüssel zu unserem Erfolg liegt in Leidenschaft, Engagement und einer gesunden Portion Neugier. Wir tragen ein klares Wertegerüst von Generation zu Generation weiter und haben dieses vor einigen Jahren erstmals richtig festgehalten – unser Wertehaus. Offenheit für Veränderung gehört für uns genauso dazu wie der enge Austausch mit unseren Mitarbeitenden und unser sehr starkes Netzwerk in den Regionen, in denen wir tätig sind. Hamburg ist unser Kern, darüber hinaus gehören Bremen, Hannover und Schleswig-Holstein dazu – und seit einigen Jahren sind wir auch in Berlin und Leipzig sowie den Metropolregionen aktiv. Entscheidend ist für uns immer, die richtigen Menschen zu finden, die unsere Gedanken und Werte teilen und unsere Vision mittragen.

Welche Werte sind das genau? Welche Werte prägen OTTO WULFF, und wie wirken sich diese auf die tägliche Arbeit und die Projekte aus? Wie werden diese Werte bei Ihnen im Unternehmen im Alltag gelebt?

Unser Wertehaus besteht aus zehn zentralen Werten – an erster Stelle steht die Familie. Dazu kommen Vertrauen, Berechenbarkeit, Fairness, Fehlerkultur, Verantwortung, Teamfähigkeit, Toleranz, Streitkultur und Zukunftsorientierung. Besonders wichtig ist uns, Konflikte auszuhalten und eine konstruktive Fehlerkultur zu leben – Fehler sehen wir als Chance, gemeinsam zu lernen, statt sie Einzelnen zuzuschreiben. Vertrauen ist ein weiteres Fundament: Unsere Mitarbeitenden erhalten vom ersten Tag an 100 Prozent Vertrauen und werden wenig kontrolliert, was für sie eine hohe Motivation ist, eigenverantwortlich zu agieren. Diese Werte haben wir als Geschäftsführung nicht einfach vorgegeben, sondern in einem anderthalbjährigen, unternehmensweiten Prozess mit Mitarbeitenden aus allen Bereichen und Ebenen entwickelt – von der Baustelle über die Projektentwicklung bis zur Geschäftsführung. Deshalb sind sie glaubwürdig und werden von allen mitgetragen.

Ja, das ist wichtig, damit sich jeder mit den Werten identifizieren kann und diese im Alltag auch gelebt werden. Als Bauunternehmen gestalten Sie buchstäblich Lebensräume. Was bedeutet es für Sie, Verantwortung in einer Branche zu übernehmen, die maßgeblich die Gesellschaft und die Umwelt mitgestaltet? Wie setzen Sie diese Verantwortung in der Bauwirtschaft konkret um?

Unsere Verantwortung in der Bauwirtschaft betrachten wir differenziert. Als klassisches Bauunternehmen setzen wir vorgegebene Bauaufgaben im Rahmen von Ausschreibungen um, haben aber oft wenig Einfluss auf Konstruktion oder Materialien. In unserer Projektentwicklung hingegen gestalten wir aktiv mit – und Nachhaltigkeit spielt dabei eine immer größere Rolle. Ressourcenschonendes Bauen ist nicht nur ein Trend, sondern essenziell für die Zukunft. Klimaschutz begleitet uns schon lange, da wir aus dem Holzbau kommen – mein Großvater war Zimmerer- und Tischlermeister. Seit Jahren forschen wir intensiv am Thema Holzbau, aber auch zu Recyclingbeton und CO₂-armem Beton. In Hamburg waren wir auf der Internationalen Bauausstellung 2010 bis 2012 Vorreiter für innovative Gebäude. Zudem engagieren wir uns in Netzwerken und Verbänden, um nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben. Unser Alleinstellungsmerkmal ist die enge Verzahnung von Projektentwicklung und Bau – wir sind nicht reiner Projektentwickler und nicht reines Bauunternehmen, sondern machen beides. So haben wir beide Perspektiven im Blick und setzen verantwortungs- bewusst neue Maßstäbe.

Sie sind selbst Architekt und haben daher auch eine besondere Sicht auf die Verbindung von Funktion, Ästhetik und Nachhaltigkeit in Bauprojekten. Wie prägt diese Sichtweise Ihre strategischen Entscheidungen als Geschäftsführer?

Unser Anspruch ist es, gute Gebäude zu bauen, die in die Zeit passen – ohne Trends hinterherzulaufen, sondern mit Mut, auch mal Vorreiter zu sein. Gerade im Bereich Nachhaltigkeit ist das eine Herausforderung: Wir müssen wirtschaftlich bleiben und gleichzeitig soziale Verantwortung übernehmen, etwa durch bezahlbaren Wohnraum. Strategische Entscheidungen treffen wir nicht allein, sondern gemeinsam im Unternehmen mit unserer Unternehmensentwicklung und unserer Geschäftsführung. Offenheit und Neugier treiben uns an – wir tauschen uns aktiv in Netzwerken aus, besuchen Messen und entwickeln uns kontinuierlich weiter. Stillstand ist keine Option. Man muss den Mut haben, Neues auszuprobieren, denn Meckern bringt niemanden voran – nur wer selbst das Zepter in die Hand nimmt, kann wirklich etwas bewegen.

Das stimmt. Familiengeführte Unternehmen gelten als besonders resilient und werteorientiert – darüber haben wir ja schon kurz gesprochen. Aber was macht sie in der aktuellen Zeit so wichtig, und welche Rolle spielen Familienunternehmen in der Bau- und Immobilienwirtschaft?

Familienunternehmen sind das Rückgrat der Bauwirtschaft – über 90 Prozent der Firmen in unserer Branche sind inhabergeführt. Was uns auszeichnet, ist unser nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Wirtschaften. Wir setzen nicht auf kurzfristige Gewinne, sondern investieren langfristig in unser Unternehmen, unsere Projekte und unsere Mitarbeitenden. Gerade in den aktuellen Krisenzeiten zeigt sich die Stärke dieses Ansatzes: Durch umsichtiges Wirtschaften und kontinuierliche Reinvestitionen bleiben wir auch in schwierigen Phasen verlässlich. Das gibt unseren Mitarbeitenden Sicherheit. Vor wenigen Wochen wurden wir unter die Top-12-Arbeitgeber der Baubranche in Deutschland gewählt – auf Platz acht. Das sind Auszeichnungen, über die wir uns freuen und die uns in unserem Weg bestätigen.

Glückwunsch zu dieser tollen Auszeichnung. Was können Familienunternehmen tun, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig nachhaltig zu agieren? Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen zukunftsfähig bleibt – sowohl im Hinblick auf die wirtschaftliche Stabilität als auch auf gesellschaftliche Verantwortung?

Eine solide finanzielle Basis ist die Grundvoraussetzung. Gleichzeitig müssen wir immer am Puls der Zeit bleiben. Als Familienunternehmen haben wir den Vorteil, besonders nah an unseren Mitarbeitenden zu sein und eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Gepaart mit unseren Werten, macht uns das attraktiv für motivierte, engagierte Menschen – denn ohne die Mitarbeitenden, die mit Freude auch Verantwortung übernehmen, könnten wir nicht so erfolgreich agieren. Der richtige Umgang mit Menschen ist entscheidend. Wir sehen unsere Mitarbeitenden nicht als austauschbare Zahnräder, sondern setzen auf Persönlichkeiten, die unsere Werte leben und auch teilen. Wer nicht zur Unternehmenskultur passt, merkt das schnell – und genau dafür haben wir unser Wertehaus. Es dient als Orientierung und Diskussionsgrundlage, um Konflikte offen anzusprechen und sicherzustellen, dass wir als Team an einem Strang ziehen.

Da stimme ich zu. Wenn jemand motiviert ist und die Unternehmenswerte verinnerlicht, dann trägt er diese auch nach außen und übernimmt Verantwortung.

Deshalb legen wir großen Wert auf einen intensiven Onboarding-Prozess, in dem wir diese Themen gezielt vermitteln. Es ist wichtig, sich die Werte immer wieder bewusst zu machen – daher stehen unsere Wertehäuser überall, sogar in unserem Mitarbeiterrestaurant. Wir arbeiten kontinuierlich daran, diese Werte zu leben und weiterzuentwickeln. Sie stehen regelmäßig auf dem Prüfstand, wir diskutieren offen darüber und führen auch eine Mitarbeiterumfrage durch. Denn der Austausch ist entscheidend, um unsere Unternehmenskultur lebendig zu halten.

Ja, eine Unternehmenskultur lebt davon, dass Werte nicht nur aufgeschrieben, sondern aktiv vorgelebt werden – besonders in wachsenden Unternehmen, wo immer wieder neue Mitarbeitende hinzukommen.

Deshalb ist es wichtig, diese Werte nicht nur zu benennen, sondern auch zu erklären und vorzuleben. Die, die schon länger dabei sind, müssen die Neuen mitnehmen und zeigen, was unsere Kultur ausmacht. Wachstum gehört dazu – gute Unternehmen können meiner Meinung nach gar nicht anders, aber es muss gesund und im Einklang mit der Organisation erfolgen. Zudem spielt gerade in herausfordernden Zeiten Optimismus eine entscheidende Rolle. Als Geschäftsführer muss man Zuversicht ausstrahlen – aber ehrlich und authentisch, nicht übertrieben. Wir setzen auf einen offenen Austausch in allen Bereichen. Seit unserem Umzug in den Neubau vor zwei Jahren haben wir unser eigenes Mitarbeiterrestaurant, das Deli. Es ist mehr als nur ein Essensort – es fördert bereichsübergreifenden Austausch und stärkt unser Miteinander.

Das ist auch für das Wir-Gefühl wichtig. Noch ein Blick in die Zukunft: Welche Trends und Innovationen werden die Bauwirtschaft in den nächsten Jahren prägen, und wie bereitet sich Ihr Unternehmen darauf vor?

Die Bauwirtschaft muss einfacher und kostengünstiger werden – mit seriellem Bauen, schlankeren Konstruktionen und besserer Energieeffizienz. Der Holzbau bleibt wichtig, ist aber kein Allheilmittel. Er muss dort eingesetzt werden, wo es ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist – der lange Transport von Holz aus aller Welt widerspricht dem Nachhaltigkeitsgedanken. Auch der Wohnungsbau wird sich verändern: Wohnungen werden kleiner, um der Wohnungsknappheit zu begegnen. Staatliche Regulierung, wie Mietpreisbremsen, löst das Problem nicht – wir brauchen einfach mehr Wohnraum. Im Bürobereich sehen wir einen klaren Trend zu effizienteren, flexibleren Flächen.

In der Allianz der Pioniere erforschen wir nachhaltige Baumaterialien – dabei spielt die Wiedervernässung von Moorflächen eine zentrale Rolle. Viele wissen gar nicht, dass trockengelegte Moore in Deutschland über 5 bis 7 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen verursachen. Gerade hier in Norddeutschland wurden große Moorgebiete für die Landwirtschaft entwässert. Dabei speichern Moore enorme Mengen an CO₂ – aber nur, wenn sie nass sind. Wenn sie trockenliegen, setzen sie dieses CO₂ wieder frei. Deshalb müssen wir sie wieder vernässen, wenn wir den Klimawandel ernsthaft angehen wollen. Das Problem ist aber: Die Flächen gehören Landwirten, die sie nutzen – und denen müssen wirtschaftlich attraktive Alternativen geboten werden. Genau daran arbeitet die Allianz der Pioniere. Die Idee ist, dort Gräser anzubauen, die als nachwachsender Rohstoff genutzt werden können. Diese Gräser können in der Bauwirtschaft als Dämmmaterial oder sogar als Ersatz für Gipskartonplatten eingesetzt werden. Aber auch andere Branchen forschen daran – beispielsweise testet der Otto-Versand gerade Verpackungen, die zu 60 Prozent aus diesen Gräsern bestehen, um weniger Holz für Kartons zu verbrauchen. Das sind genau die innovativen Lösungen, die wir brauchen: Nachhaltigkeit mit wirtschaftlichem Nutzen verbinden. Wenn wir Materialien schaffen, die sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich tragfähig sind, dann kommen wir weiter. Und das ist für uns ein spannendes Thema, in das wir uns aktiv einbringen.

Ein spannender Ansatz, der zeigt, wie Innovation und Nachhaltigkeit zusammengedacht werden können. Herr Wulff, vielen Dank für die inspirierenden Einblicke.

 

Porträt: OTTO WULFF / Pia Demirayakl

Visualisierung: OTTO WULFF, Projektpartner und Urheberrechte Dritter