Symbol für Beständigkeit, Kultur der Verantwortung, Rückgrat der Wirtschaft – es gibt vieles, das sich über Familienunternehmen sagen lässt. Doch es sind vor allem die Stimmen aus diesen Unternehmen selbst, die das wahre Wesen familiengeführter Traditionsunternehmen greifbar machen können. So wie Dieter Becken, geschäftsführender Gesellschafter der Becken Holding GmbH in Hamburg, der im Interview mit der POSITION über das Leitbild des eigenen Familienunternehmens, die Beziehung zwischen Familie und Business sowie die unternehmerische Bedeutung im immobilienwirtschaftlichen Kontext spricht.
Herr Becken, die Becken-Gruppe ist nicht nur eine der Grössen der nationalen Bau- und Immobilienbranche, sondern auch ein seit jeher inhabergeführtes Familienunternehmen. Was zeichnet Ihre Unternehmenskultur in dieser Hinsicht aus? Welche Werte sind Ihnen wichtig? Funktionieren Familienunternehmen im Alltag anders als andere Firmen?
Unsere Unternehmenskultur bei der Becken Gruppe ist durch die Werte geprägt, die man in einem Familienunternehmen erwartet: Verlässlichkeit, Vertrauen und eine langfristige Perspektive. Wir arbeiten generationenübergreifend, was bedeutet, dass wir nicht nur kurzfristige 13 Erfolge im Blick haben, sondern die nachhaltige Entwicklung unseres Unternehmens und unserer Projekte. Familienunternehmen wie unseres funktionieren oft anders, weil sie stärker durch persönliche Verantwortung geprägt sind. Jede Entscheidung wird nicht nur aus unternehmerischer, sondern auch aus persönlicher Überzeugung getroffen. Wir stehen mit unserem Namen für das, was wir tun – und das schafft eine besondere Form von Vertrauen, sowohl intern als auch extern. Gleichzeitig legen wir großen Wert auf Innovation und haben Mut, uns weiterzuentwickeln, ohne dabei unsere Bodenhaftung zu verlieren. Diese Kombination aus Tradition und Innovationskraft macht uns aus und unterscheidet uns vielleicht von anderen, größeren, weniger persönlich geführten Unternehmen.
Ihre Tochter bildet die zweite Generationsebene innerhalb der Becken-Gruppe. Was ist in Ihren Augen der Schlüssel zu einer harmonischen generationsübergreifenden Zusammenarbeit? Lassen sich „Familie“ und „Business“ im Kontext eines Familienunternehmens konsequent trennen? Oder ist das womöglich überhaupt nicht das Ziel?
Die Zusammenarbeit zwischen den Generationen ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in einem Familienunternehmen wie unserem. Der Schlüssel dazu liegt in gegenseitigem Respekt, in Wertschätzung und Vertrauen. Es ist wichtig, dass jede Generation ihre Perspektive einbringt, ohne die Werte aus den Augen zu verlieren, die das Unternehmen aufgebaut haben. Familie und Business vollständig zu trennen, ist meiner Meinung nach weder realistisch noch erstrebenswert. Vielmehr geht es darum, die Stärken der familiären Verbundenheit – wie Loyalität und Verantwortung – in den unternehmerischen Kontext zu übertragen. Das schafft Stabilität und eine starke Identifikation mit dem Unternehmen.
Immer wieder ist zu hören, der Mittelstand bilde das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – wie sehen Sie das? Welche Rolle spielen dabei Familienunternehmen? Besitzen sie einen besonders hohen Stellenwert? Und wie und wo ordnen sie sich insbesondere in der Bau- und Immobilienwirtschaft ein?
Meiner Meinung nach ist der Mittelstand ohne Frage das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – und Familienunternehmen spielen dabei eine besondere Rolle. Sie stehen für Beständigkeit, Verantwortung und oft für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Ansatz, der langfristig denkt. Im Bau- und Immobiliensektor sind Familienunternehmen wie unseres besonders stark verankert, da diese Branchen von langfristigen Beziehungen geprägt sind, die ohne ein hohes Maß an Verbindlichkeit nicht zu erhalten wären. Gerade in der Immobilienwirtschaft, wo Projekte über viele Jahre oder gar Jahrzehnte entwickelt oder gehalten werden, ist die Fähigkeit, generationsübergreifend zu planen und zu handeln, von unschätzbarem Wert.
Verantwortung und Beständigkeit gehören zweifellos zu den Topimplikationen eines jeden Familienunternehmens. Vor diesem Hintergrund: Wie erlebt die Becken-Gruppe die aktuell herausfordernde Marktlage? Welche Stellschrauben des täglichen und langfristigen Doings gilt es anzupassen? Und wie ist Ihre persönliche Prognose für die kommenden Monate und Jahre?
Die aktuelle Marktlage ist zweifellos herausfordernd – steigende Baukosten, Zinsen und regulatorische Anforderungen sind nur einige der Faktoren, die unsere Branche hart treffen. Und neben der Marktlage ist die weltpolitische Lage ebenfalls ein starker Einflussfaktor auf viele Branchen: Geopolitische Unsicherheiten und ihre Auswirkungen auf Lieferketten und Finanzierungen sind bedeutende Faktoren, die auch die Bauwirtschaft beeinflussen. Für uns bedeutet das, agiler zu werden, anpassungsfähig zu sein, Prozesse zu optimieren und neue Wege in der Projektentwicklung und Finanzierung zu finden. Flexibilität und Innovation sind mehr denn je gefragt. Gleichzeitig wollen wir unsere auf Langfristigkeit ausgerichtete Unternehmensphilosophie beibehalten.
Und da Sie nach meiner Prognose fragen: Das Segment Wohnungsneubau wird in diesem Jahr anziehen. Hier sehe ich Licht am Ende des Tunnels. Die Zinsen lassen nach. Die Baukosten stagnieren oder sinken ein wenig, weil wir bereit sind, wieder einfachere, jedoch völlig angemessene Bauqualitäten zu akzeptieren. Auch die Grundstückskosten steigen nicht mehr, sondern werden in gewissen Bereichen geringer. Der Staat hat erkannt, dass bezahlbare Wohnungen notwendig sind, und wird mehr fördern. Damit gehe ich von einem kleinen Wohnungsbauboom noch in diesem Jahr aus. Anders als im Wohnungsbau kann ich im Gewerbebau noch nicht von einem Boom sprechen. Wir werden noch zwei, drei Jahre brauchen, bis sich die Gewerbeimmobilienmärkte normalisiert haben. Und worauf es bei all dem weiterhin ankommen wird, sind ein solides Management und nachhaltige Konzepte.
Herr Becken, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Foto: Herbert Ohge
Dieter Becken