Die Corona-Krise führt gezwungenermaßen zu einem Umdenken der Gesellschaft, der Verbraucher sowie vieler Industriebetriebe – und in den Segmenten Lager-, Logistik- und Industrieimmobilien folglich zu einer nachhaltigen Anpassung des Marktes. Vor dem Hintergrund der behördlichen Anordnungen einer Kontaktbeschränkung und eingegrenzter Bewegungsmöglichkeiten, entdeckt beispielsweise derzeit eine neue Zielgruppe den Onlinehandel – diejenigen, die sich bisher eher weniger bis gar nicht mit Bestellungen über das Internet beschäftigt haben. Allerdings reagiert die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch äußerst zurückhaltend hinsichtlich Frischeprodukte aus dem Onlinehandel. Hier ist jedoch nach der Krise eine größere Akzeptanz zu erwarten, die der Einzelhandelsmarkt auf jeden Fall spüren wird. In der Folge wird der Bedarf für weitere Lagerkapazitäten zunehmen. Die auf dem bundesweiten Logistik- und Industrieimmobilienmarkt seit Jahren vorherrschende Flächenknappheit wird sich – wenn überhaupt immer nur kurzzeitig – erholen. Langfristig sehen wir eine nochmals erhöhte Flächennachfrage, die sich ferner „positiv“ auf die Entwicklung der Mietpreise auswirken wird. Bereits jetzt registrieren wir vermehrt Anfragen von beispielsweise medizinisch und pharmazeutisch versorgenden Unternehmen für kurzfristig verfügbare Mietflächen. Lagerkapazitäten sollen hier zeitnah ausgebaut werden, ebenso bei zahlreichen Pharmalogistikern und Onlinehändlern.
Unternehmen mit einer Produktion im eigenen Land haben derzeit eklatante Vorteile gegenüber konkurrierenden importabhängigen Betrieben. Um diese Abhängigkeit zukünftig umgehen zu können bzw. auf ein mögliches Minimum zu reduzieren, wird auch hier der Bedarf an Produktions- und Logistikimmobilien bundesweit voraussichtlich weiter steigen. Mit Spannung bleibt abzuwarten wie z. B. die Automobilindustrie und auch deren Zulieferer mit dem nach der Dieselkrise zweiten erheblichen Einschnitt binnen weniger Jahren umgehen werden, sowohl mittel- als auch langfristig. Die Online-Sparte und die Automobilbranche sind an dieser Stelle lediglich exemplarisch – überdies sind die hier aufgeworfenen Fragestellungen und Sachverhalte auf diverse produzierende sowie lagernde Unternehmen adaptierbar.
Aktivieren von Flächenreserven wünschenswert
Für Lebensmitteleinzel- und Großhändler steht mittelfristig das Schaffen von weiteren Verteiler- und Versandzentren im Fokus. Anfragen für Grundstücksankäufe nehmen nochmals zu – jedoch herrscht nach wie vor auch hier eine deutliche Engpasssituation. Erschwerend kommt hinzu, dass auch andere Branchen, z. B. wie erwähnt aus der Produktion, verstärkt Flächen nachfragen werden. Vereinzelt gibt es noch Kapazitäten – hier wäre es wünschenswert, wenn auch Gemeinden und städtische Behörden die besonderen Engpässe berücksichtigen, neue Flächen ausweisen und mit der Wirtschaft im Schulterschluss agieren. Das Aktivieren von Flächenreserven in Krisenzeiten könnte hier ein möglicher Lösungsansatz sein – dies stellt keine generelle Lösung dar, jedoch definitiv einen relevanten Baustein von vielen.
Martin Zunken, Logistikimmobilienberater bei Robert C. Spies