Das Thema „Natur auf Zeit“ wird aktuell vor allem im politischen und planerischen Raum verstärkt diskutiert. Gemäß Definition geht es hier um das Schaffen von rechtlichen und planerischen Rahmenbedingungen, damit Grundstückseigentümer und -nutzer ihre Flächen temporär der Natur zur Verfügung stellen können. Im Ansatz vorstellbar erscheint dies tatsächlich für das großflächige, rohstoffabbauende Gewerbe, bei dem eine zeitliche Staffelung von Teilflächennutzungen denkbar ist. Oder aber für die Umwandlung von intensiv genutzten Ackerflächen in extensive landwirtschaftliche Flächen für ein aktives Brachflächenmanagement.
Nun wird „Natur auf Zeit“ aber auch im Zusammenhang mit regulär ausgewiesenen Gewerbe- und Industrieflächen in den städtischen Verdichtungsräumen diskutiert. In unseren urbanen Räumen besteht eine hohe Flächenkonkurrenz um verschiedene Nutzungen: Wohnen, Erholung, Natur, Freizeit, Verkehr, Versorgung, Bildung, Arbeit und Wirtschaft. Dieses bedarf bei der Planung somit vieler Abwägungen und Kompromisse.
Schon die Definition von „Natur auf Zeit“ zeigt die Fokussierung auf die positiven Effekte aus Naturschutzperspektive, vernachlässigt aber die negativen Konsequenzen für die Eigentümer und den ursprünglich vorgesehenen Zweck der Flächen. Denn: Aufgrund von Globalisierung – mit immer kürzer werdenden Innovationszyklen sowie dem Standortwettbewerb um Ansiedlungen und Unternehmen – bleibt Gewerbeflächenpolitik immer Angebotspolitik. Folglich ist „Natur auf Zeit“ für ausgewiesene Gewerbeflächen nicht immer eine gute Idee:
1. Gewerbeflächenpolitik ist Angebotspolitik: Es ist immer auch eine nennenswerte Größenordnung kurzfristig verfügbarer Flächen unterschiedlicher Quantitäten und Qualitäten für die gewerblich-industrielle Nutzung als wirtschaftliches Entwicklungspotenzial vorzuhalten. Diese sogenannte Flächenreserve ist aber bspw. in Bremen in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Es wird also schwieriger, Unternehmen adäquate Ansiedlungs- und Erweiterungsflächen zur Verfügung zu stellen.
2. Regulierungen, Planungs- und Genehmigungsprozesse straffen: Es besteht bereits eine hohe Regulierungsdichte bestehend aus einer Vielzahl von Vorschriften und Genehmigungsschritten bei der Planung und Realisation einer Investition. Diese haben meistens Sinn und Berechtigung mit der resultierenden hohen Planungssicherheit. Jedoch sind die Prozesse in der Regel zeit- und kostenintensiv. Mit zusätzlichen Regelungen und Vorschriften bei der Umwidmung zu Flächen für „Natur auf Zeit“ und vor allem aufgrund von Vegetations- und Fortpflanzungszyklen zeit- und kostenintensiver „Entwidmungen“ gehen in erheblichem Maße zusätzliche Regulierungen und Prozessschritte einher. Dies konterkariert die notwendige Verschlankung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen.
3. Eigentum verpflichtet: Nur weil unter Umständen der Eigentümer einer gewerblichen Fläche nicht für den „Erhalt“ dieser Fläche im Sinne des ursprünglichen, planerisch vorgesehenen Nutzungszweckes aufkommen kann oder will, darf die Lösung nicht „Natur auf Zeit“ heißen. Zudem es dabei eben gerade nicht um ein „Sich-selbst-überlassen“ und „Verwildern“ der Flächen gehen kann. Dies birgt nämlich die Gefahr der Ausbreitung und Ansiedlung von auch aus Naturschutzsicht äußerst unerwünschten invasiven, gebietsfremden Arten. Aus rein finanzieller Sicht ist dies also keine Alternative zur teilweise notwendigen Vermeidungspflege und Vergrämung. Und bei einer notwendigen naturfachlichen Pflege der „Natur auf Zeit“ stellt sich letztlich auch die Frage des Aufwandes und wer dafür finanziell aufkommen muss.
Zusammengefasst: „Natur auf Zeit“ auf freistehenden Gewerbeflächen verknappt die verfügbare Flächenreserve für die gewerblich-industrielle Nutzung, sorgt für weitere, vermeidbare Regulierung und verzögert die Verfügbarkeit einer Gewerbefläche. Zudem ist sie wirtschaftlich nicht attraktiv. Ziel in der Sozialen Marktwirtschaft ist doch, einerseits Leitplanken als Grenzen zu gestalten, andererseits aber attraktive Rahmenbedingungen für Investitionen von Unternehmen zu schaffen. Ein auf einer Gewerbefläche investierendes Unternehmen schafft Arbeitsplätze und trägt maßgeblich zur Erwirtschaftung unseres Wohlstands bei. Es geht es also um Nachhaltigkeit, eben genau um die richtige Balance und Abwägung zwischen ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Es geht darum, Unternehmen attraktive Möglichkeiten zu schaffen, hier unter Einhaltung der nicht in Abrede stehenden hohen Standards bezüglich Umweltschutzes, Ressourcenschonung und Arbeitsrecht etc. zu investieren. Im Sinne aller Akteure und zum Wohl der Gesellschaft.