Von der Idee bis zu über zehn Jahren Erfolg
Holz lässt sich auch online gut verkaufen: Eine Idee, die am Anfang von Michel Kahrs Unternehmen steht. Inzwischen importiert der Großhändler Hartholz aus aller Welt und verkauft es erfolgreich an Endkunden sowie Profis im World Wide Web.
In Zeiten von Corona ist Improvisation gefragt. Eigentlich sollte die Reise nach Bremen zum Holzhändler Michel Kahrs gehen. Die ausgegebene Kontaktsperre im Zuge der Corona-Krise macht dem einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen kommt es zu einer telefonischen ersten Begegnung. Kahrs befindet sich – man kann es erraten – im Homeoffice. Doch statt Jammern über die Situation, berichtet der Jungunternehmer, der sein Geschäft ausschließlich im Online- und Großhandel abwickelt, über Rekordumsätze
„Die Hütte brennt“, so Kahrs. „Die Menschen haben nun viel Zeit, um ihre Bauprojekte zu realisieren“, fährt er fort. Er selbst war zum Zeitpunkt des Anrufs die letzten Tage damit beschäftigt, die Telefonanlage umzubauen und es zu ermöglichen, dass der Kundenkontakt trotz aller Einschränkungen weiterlaufe. Vorgestern, an einem Samstag, habe man Rekordumsätze verzeichnet. „Es ist kein Einbruch, eher ein Ansturm“, so der Unternehmer. Um dem gerecht zu werden, wurden sogar kurzerhand Rabatte gestrichen. Die größte Herausforderung sei im Moment eher die körperliche Abwicklung, nicht die Nachfrage.
Dabei habe die aktuelle Situation auch ein Gutes, entfährt es Kahrs halb im Scherz: „Die oft vor vielen hergeschobene Digitalisierung kommt nun.“ Ein Thema, mit dem sich der Mittdreißiger gut auskennt.
Unter dem Dach der Kahrs GmbH betreibt das Unternehmen heute mit Holzhandel-Deutschland.de einen Online-Shop für Endkunden und mit Holz-Kahrs.de einen Profi-Shop für Verarbeiter und Händler. Laut eigener Aussage gehört man inzwischen zu den führenden Holz-Händlern im E-Commerce und im Bereich Holzterrassen ist man bereits führend. Über den Onlineshop Holzhandel-Deutschland.de werden jedes Jahr 15.000 Terrassen ausgeliefert, erklärt Kahrs.
Zunächst ein „Ein-Mann-Onlinehandel“
Gestartet ist Michel Kahrs 2008 im Alter von 25 Jahren mit einer Geschäftsidee, einem Laptop, einer frischen Kündigung in der Tasche und einer gehörigen Portion Mut. Der gelernte Holzgroßhändler hatte seine berufliche Laufbahn mit einer Lehre bei Holz Rüter in Bremen-Blumenthal begonnen. Nachdem er dort einige Jahre gearbeitet hatte, wechselte er zu Hansa-Holz nach Norderstedt in Schleswig-Holstein, ehe es ihn als Außendienstler zu einem Holzland-Partner verschlug. Wie Kahrs berichtet, hatte er dort bereits die Idee, den Vertrieb „anders zu gestalten“ und Holz online zu verkaufen. Den Sprung vom Angestellten zum Unternehmer wagte er schließlich, nachdem seine – aus seiner Sicht – modernen Ideen wiederholt keinen Anklang fanden. „Ich muss zugeben, ich hatte damals eine ziemlich große Klappe, und irgendwann musste ich Farbe bekennen“, beschreibt er es selbst. Es folgten die eigene Kündigung und der Gang zum Notar. Kurze Zeit später saß er als Ein-Mann-Betrieb – oder „Start-Up“ – mit einem Laptop an seinem heimischen Schreibtisch.
„Der Holzhandel dachte damals noch oft, dass der Kunde Holz unbedingt sehen und anfassen will“, erklärt Kahrs. Die Denke stammte laut ihm noch aus der Tischler-Zeit, als der einzelne Handwerker sich im Fachgeschäft seine Bohlen einzeln ausgesucht und begutachtet hatte. Der Endverbraucher denke aber nicht so, sagt er. Stattdessen wolle dieser ein klares Sortiment, eine Vorauswahl und vor allem – im Falle von Terrassendielen – unkomplizierte Sortierbestimmungen: „Holz kann man nicht online verkaufen, wurde mir damals immer gesagt. Im Nachhinein hat es gut geklappt.“
Im ersten Jahr erzielte Kahrs mit seinem an Endverbrauchern ausgerichteten Online-Konzept 300.000 Euro Umsatz. Dabei bestanden seine ersten Geschäfte darin, Terrassendielen über eBay zu verkaufen. Diese hat er zuvor bei einem Importeur bestellt, kommissionieren sowie verpacken lassen und über einen Spediteur verschickt. Im Jahr darauf zog er aus dem Homeoffice in ein Gründungszentrum für Jungunternehmen, stellte seinen ersten Mitarbeiter ein und knackte zusammen mit ihnen beim Umsatz die Millionengrenze. Ein Jahr später, 2010, hatte sich der Umsatz im Vergleich zum Beginn bereits fast verzehnfacht.
„Mir war bereits zu Beginn klar, dass ich mit Parkett und Laminat keine Chance zu anderen Händlern habe. Also entschied ich mich für Terrassendielen“, erklärt Kahrs seine Anfänge. Das Produkt habe ein gutes Verhältnis zwischen Tonnage und Fracht aufgewiesen. Da es außerdem in der Handhabung etwas komplizierter sei und teilweise einem 40 Tonner plus Mitnahmestapler erfordere, sei es gleichzeitig vielen Kollegen zu schwierig gewesen, so der Jungunternehmer.
Ex-Hobelwerk wird zum Lager
Bis 2011 war das Unternehmen noch als reiner Streckenlieferant unterwegs, als die GmbH auf das Louis-Krages-Gelände im Bremer Industriehafen zog, wo 1912 das größte Hobelwerk Europas ansässig war. Dort expandiert das Unternehmen zu einem lagerhaltenden Holzhändler. „Das war auch symbolisch ein wichtiger Schritt für uns, denn mit dieser neuen Adresse nahm die Akzeptanz in der Branche deutlich zu“, erinnert sich Kahrs. Nun war der Einkauf von Vorräten und größeren Mengen möglich. Da mit der zunehmenden Größe auch neue Probleme auftauchten, wurde ein eigenes Qualitätsmanagement aufgebaut, um auftragsbezogene Einkäufe vor Versendung noch einmal auf dessen Qualität zu prüfen. Zusätzlich entwickelte das Unternehmen eigene Verpackungsrichtlinien, um einen reibungslosen Transport zu gewährleisten.
Der Warenumschlag am eigenen Standort ermöglichte es, einzelne Sendungen miteinander zu kombinieren. Kahrs investierte in ein Warenwirtschaftssystem, um die Lagerhaltung und die Logistik professionell zu verwalten. Inhouse entwickelten die Mitarbeiter eine Schnittstelle zum eigenen Online-Shop.
Nachdem man das eigene Online-Geschäft aufgezogen hatte, wurde das IT-Team 2014 in die Webcustoms IT Solutions GmbH ausgegliedert. Das Ziel: Die eigene Software-Expertise auch anderen Holz- und Baustoffbetrieben anbieten zu können. Dabei ist Webcustoms nach eigener Aussage seit Beginn komplett eigenständig und zählt neben der Kahrs GmbH sowohl Kunden aus der Holzbranche als auch darüber hinaus zur Klientel. Dass man dabei etwas von der Materie versteht, zeigt sich daran, dass unter anderem die GD Holz-Seite holzvomfach.de aus der eigenen Tastatur stammt.
Dabei war und ist es laut Kahrs schwierig, das Vertrauen von anderen Teilnehmern der Holzbranche zu erhalten. Er selbst sagt dabei, er habe kein Problem Holzhändler zu digitalisieren, auch wenn sie ein ähnliches Sortiment wie er haben: „Wettbewerb habe ich so oder so, egal ob Amazon oder der einzelne Händler. Inzwischen gibt es einige Kunden, die wir mit der entsprechenden Homepage und dahinterstehenden Technik aufgebaut haben, die heute Logistik und Dropshipping über uns machen“. Für mich ist das kein Problem, so Kahrs.
Inzwischen gehört die Kahrs GmbH mit holzhand-deutschland.de zu den wenigen Anbietern in Deutschland, die vom Holzimport bis zur Lieferung an den Endkunden die komplette Wertschöpfung übernehmen. Nicht ohne Erfolg: Der GD Holz zeichnete holzhandel-deutschland.de 2015 für sein innovatives Vertriebskonzept mit einem „Woody Award“ aus. 2016 erhielt Kahrs für den gleichen Shop, neben Marken wie Amazon, Hornbach oder Douglas, den Preis „Deutschlands Beste Online-Shops 2016“.
Eigenimport und B2B
2015 hatte das Unternehmen eine Größe erreicht, um Holz direkt containerweise aus Übersee zu importieren. „Eine wichtige Entwicklung“, wie Kahrs im Gespräch betont. Zunächst lag der Fokus bei Holzimporten aus Südamerika. Gleichzeitig gründete die Unternehmensführung mit Holz Kahrs eine neue Großhandelsabteilung. „Heute importieren wir jährlich direkt rund 350 Container aus aller Welt“, erzählt der Unternehmer. Der Einkauf läuft dabei über Dienstleister vor Ort oder über den eigenen Außendienst. „Dabei organisieren wir alles selbst, kaufen auch direkt von der Fläche und fliegen bei Bedarf rüber“, so Kahrs. In vielen Fällen packe das Sägewerk die Container dann nur noch voll. „Von der Einfuhr über Verzollung, EUTR (red.: EU Timber Regulation, EU-Holzhandelsverordnung) übernehmen alles wir“, so Kahrs. Aktiv ist der Importeur auch in Ländern, „wo andere Europäer gar nicht einkaufen“, sagt er. Gleichzeitig werden aber auch europäische Hölzer importiert.
Der Eigenimport und die Größe bringen viele Vorteile: „Heute kann ganz anders geplant werden, damit zum Beispiel die Route eines 40-Tonners für die Region Frankfurt ausgelastet ist“, erklärt Kahrs. Wie zu Beginn des Unternehmens dominieren auch heute noch Terrassendielen das Geschäft. So befinden sich 300 verschiedene Terrassendielen auf Lager und machen über 50 Prozent des Umsatzes aus. Im sonstigen Handel sind es laut Kahrs vielleicht 1,5 Prozent.
Auch bei Handwerkern und Holzhandelskollegen kann Kahrs mit dieser Spezialisierung punkten. „Vom Containerbezug bis zur Kommission mit Baustellenanlieferung wird der Profikunde vollumfänglich bedient. In gewohnter Manier geschieht auch das mittels eines Online-Shops“, erläutert der Holzhändler. Auf holz-kahrs.de erhalten Profikunden nach Freischaltung direkten Zugriff auf Nettopreise und verfügbare Lagerbestände.
Schwerpunkt Übersee-Hartholz
„Heute beliefern wir sowohl private Heimwerker als auch Händler / Holzimporteure und Handwerker in Deutschland und dem europäischen Ausland“, erklärt Kahrs. Der Schwerpunkt liege dabei weiterhin auf Harthölzern aus Übersee. „Durch die Kombination verschiedener Bezugsquellen aus Import, Handel und Industrie haben wir ein Sortiment geschaffen, das uns in diesem Bereich zu einem absoluten Spezialisten macht. Dazu gehört, dass wir auf nahezu jede bekannte Holzart zugreifen und durch Veredelung wie Hobeln, Kappen, Schleifen, Profilieren und Beschichten annähernd jeden Wunsch erfüllen können“.
Bei Parkett werden Landhausdielen, Schiffsboden und Schlossdielen genauso wie Fertigparkett geführt. Weiter umfasst das Sortiment Massivholzdielen, Hobelware, Bauholz, Bausätze für Gartenhäuser und Saunen sowie den bereits genannten Schwerpunkt Terrassenholz mit Terrassendielen aus über 30 Holzarten. Auch gibt es eine Eigenmarke unter dem Label „Kahrs“. „Unter unserer Eigenmarke bieten wir neben Holzböden für den Innenbereich auch zahlreiches Zubehör sowie hochwertige Terrassenöle an. Unsere Favoriten der Eigenmarke Kahrs sind das Parkett und die Massivholzdielen in vielen Variationen“, erklärt der Holzhändler.
Timberty & fast 80 Mitarbeiter insgesamt
2019 hat Kahrs zusätzlich das Unternehmen Timberty gegründet. Timberty spezialisiert sich auf die Herstellung von Massivholzmöbeln und ist dabei vor allem im Objektgeschäft tätig. Grundgedanke scheint auch hier zu sein, dass man mit dem eigenen Importgeschäft die Möglichkeit hat, die gesamte Wertschöpfung bei Hartholz aus Übersee in der eigenen Hand zu haben. Neben der Herstellung von Tischen, die auf dem eigenen Import von unter anderem Table Tops aufbauen, ist das neueste Projekt von Timberty ein komplettes Interieur für ein Café in Bremen, wie Kahrs verrät.
Inzwischen arbeiten für den ehemaligen Startup-Gründer rund 80 Mitarbeiter. Das Lager im ehemaligen Hobelwerk dehnt sich auf 15.000 m² überdachte Fläche und 3.000 m² Außenfläche aus. Inzwischen wurden mehr als 60.000 Kunden bedient und das Geschäft wächst weiter, wie Kahrs im Gespräch erklärt: Hatte man 2019 bereits einen Umsatz von rund 21 Mio. Euro.