„Same procedure as every year, James“. Nahezu jedes Jahr schmunzeln wir über die wiederkehrende Prozedur von Miss Sophie und ihrem Butler im „Dinner for One“. In einer Welt des Wandels, geprägt durch sich aneinanderreihende Krisen, hat Beständigkeit einen neuen Wert errungen. Obwohl Gesellschaft und Unternehmertum seit jeher mit Wandel konfrontiert sind, stellen die aktuellen realpolitischen Krisen und Abhängigkeiten eine Herausforderung dar, die uns jegliche Kreativität und Innovationsgeist abfordert. In Verbindung mit der Klimakrise zeigt sich deutlich ein wachsender Transformationsbedarf.
Transformation der Wirtschaft – Change, who are you?
Alter Wein in neuen Schläuchen? Strukturwandel, Digitalisierung und Nachhaltigkeit beschäftigen die Unternehmen Deutschlands seit der Jahrtausendwende. Die Geschwindigkeit und die Dimensionen der Veränderungen folgen seit dem Beginn der Pandemie jedoch dem Verlauf einer Exponentialkurve. Mancherorts wird davon gesprochen, dass diese volkswirtschaftliche Transformation zu dem größten Umbruch seit dem zweiten Weltkrieg führen wird. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – alle werden ihre Komfortzone verlassen müssen. Der Umbau der Wirtschaft hin zur Kreislauffähigkeit, wird neben dem Ausbau der digitalen Infrastruktur auch die Energiewende bedingen. Die Abhängigkeit von russischen Gas- und Ölimporten hat als realpolitische Schwachstelle einen sehr deutlichen Fokus auf den Transformationsbedarf und die Dringlichkeit der Energiewende gelegt. Folglich stellt die Bundesregierung dem Energie- und Klimafonds bis 2026 200 Milliarden Euro zur Verfügung. Damit untermauert sie außerdem ihre klimapolitischen Ambitionen und forciert den Umstieg zu erneuerbaren Energien.
Money, money, money - Wirtschaft und Staat haben immensen Investitionsbedarf
Die Transformation der Realwirtschaft erfordert „gigantische Summen“. Die Europäische Kommission rechnet mit jährlichen Beträgen von rund 350 Milliarden Euro. Der generelle Investitionsbedarf, den die öffentliche Hand in Deutschland erbringen muss, liegt im Zeitraum von 2020 – 2030 bei rund 457 Milliarden Euro. Eine Gemeinschaftsstudie des IMK (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung) und des IW (Institut der deutschen Wirtschaft) ermittelt, dass davon bereits 20 Milliarden Euro auf den Breitbandausbau entfallen. Die öffentlichen Investitionen in der Nachhaltigkeitstransformation beziffert eine Studie der Agora Energiewende jährlich im zweistelligen Milliardenbereich. Während diese Zahlen einen ersten Eindruck zu den Dimensionen vermitteln, ist der Investitionsbedarf im privaten Sektor noch höher und ganz besonders relevant. Um für den Energietransport eine leistungsfähige Infrastruktur zu etablieren oder Angebote für eine klimaneutrale Mobilität zu schaffen, sind öffentliche Investitionen elementar. Gestützt durch kluge Förderpolitik können so unverzichtbare Anschubfinanzierungen geleistet werden. Dennoch kann der Staat die Transformation nicht allein finanzieren. Auch die Ressourcen der Staatskasse sind alles andere als unerschöpflich. So, wie Gebäude mit neuer Technik ausgestattet werden, um effizienter zu sein, muss auch die Wirtschaft „neuverkabelt“ werden. Ein Großteil der Ausgaben für neue Technologien und Produktionsverfahren wird in den Unternehmen anfallen und etwaig privat finanziert werden. Damit das Projekt „Rewiring the Economy“ gelingt, braucht es eine neue Finanzierungsarchitektur mit Zugang zu Beträgen in signifikanter Höhe.
Wirtschaft wanted - Welche Rolle spielen Familienunternehmen für die Transformation?
Die Stiftung Familienunternehmen hat in einer ausführlichen Studie zur Kreislaufwirtschaft in Familienunternehmen und den daraus resultierenden Herausforderungen festgehalten, dass den inhabergeführten Unternehmen eine „große wirtschaftliche Bedeutung zukommt“ und „ohne ihr unternehmerisches Wirken die Transformation zur Kreislaufwirtschaft kaum gelingen [kann]“. Die Studie ergibt weiter, dass die generationenübergreifende strategische Aufstellung von Familienunternehmen, verknüpft mit einem klaren Verantwortungs- und Sendungsbewusstsein, den Übergang hin zur Kreislaufwirtschaft als eine logische Folge des eigenen unternehmerischen Selbstverständnisses untermauert. Entsprechend neu entwickelte Geschäftsmodelle streben nach der Rohstoffunabhängigkeit und einer langfristigen Rentabilität. Abschließend zeigt sich, dass gerade die hohen Investitionsbedarfe und etwaig mögliche kurz- bis mittelfristige finanzielle Einbußen in inhabergeführten Häusern eher akzeptiert werden, so diese auf das langfristige Ziel einzahlen. Zwischenfazit? Familienunternehmen können Krise, weil sie Wandlungschampions sind.
Artur Fischer, Unternehmer und Erfinder
Neben ihrer Wandlungsfähigkeit wächst aber auch der Transformationsdruck in den Unternehmen stetig: Steigende CO₂-Preise, die Erwartungen von Kunden, Öffentlichkeit und Banken bedingen einen erhöhten Handlungsbedarf. Zusätzlich ergeben sich Berichterstattungspflichten. Unternehmen werden ihre CO₂-Bilanz analysieren, Geschäftsmodelle anpassen und in neue Technologien investieren. Der erste Gesprächspartner wird dabei für viele die Hausbank sein. Aber auch bei den Banken wächst der Druck. Die Risiken der Kredite werden neubewertet und die Nachhaltigkeitsstrategien ihrer Unternehmenskunden werden geprüft. Man will wissen, wie die Kunden sich für künftige Herausforderungen in den Themenfeldern Klima, Soziales und Unternehmensführung rüsten.
Die EU-Taxonomie – Freund oder Feind?
Allem zu Grunde liegt die „EU-Taxonomie“, deren Fokus zunächst auf großen, kapitalmarktorientierten Unternehmen liegt. Dennoch werden auch mittelständische Unternehmen immer mehr in die Pflicht genommen. Sie müssen künftig in ihrem Jahresabschluss genauere Angaben zur Nachhaltigkeit machen. Besonders vor dem Hintergrund der Investitionsbedarfe, wollen immer mehr Unternehmen wissen, welchen Einfluss die Taxonomie auf den Kreditprozess hat. Die Offenlegung der Green Asset Ratio (GAR) wird Aufgabe der Banken. Die GAR setzt die Taxonomie-konformen Risikopositionen ins Verhältnis zu den gesamten Risikopositionen der Banken und könnte großen Einfluss haben, da sie einen Vergleich von „Nachhaltigkeitsquoten“ ermöglicht. Allerdings werden viele der notwendigen Daten noch nicht systematisch erfasst. Die Taxonomie ist ein wertvolles Instrument, das den Übergang zu einer kohlenstoffarmen und ressourceneffizienten Wirtschaft regelt. Während die Wirtschaft ihren Umbau zur Dekarbonisierung angeht, ist es entscheidend, dass der Prozess nicht durch komplizierte Bewertungskriterien erschwert und dadurch die Finanzierung der Transformationspfade verzögert wird. Die Gelder müssen dort eingesetzt werden, wo Unternehmen CO₂ durch technologische Innovation einsparen. Die Finanzwirtschaft kann eine entscheidende Hebelwirkung erzeugen. Im Bedarfsspagat zwischen minimalem bürokratischem Aufwand und hinreichend großem Spielraum bei der Kreditvergabe benötigen gerade die kleinen Banken und Unternehmen Unterstützung durch eine ergebnisorientierte Umsetzung der Regulierungen auf nationaler Ebene.